[ Iran ]
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Iran: Abfuhr für Westen
Ahmadinejad nicht Kandidat des Establishments,
sondern der Unterklassen

1) Der überwältigende Wahlsieg für Ahmadinejad ist aus antiimperialistischer Sicht positiv, denn das dominante Charakteristikum des nun im Amt bestätigten Präsidenten ist die Ablehnung der US geführten Neuordnung des „Nahen Osten“.

2) Selbst die westlichen Medien konnten nicht übersehen, dass es die Armut ist, die fest hinter dem Präsidenten steht. Seine Anklage der Korruption im Establishment der Islamischen Republik brachte ihm in den westlichen Medien prompt das Prädikat Populist ein – ein indirektes Eingeständnis der breiten Unterstützung, die er von unten geniest.

3) Tatsache ist, dass das kapitalistische Establishment um Rafsanjani, die Nr. 2 des Regimes und Vorsitzender des Wächterrates, nicht Ahmadinejad, sondern seinen Herausforderer Moussavi unterstützte hat, so wie eine breite Koalition von islamischen Kräften von ganz links bis ganz rechts. Dass die Nr. 1, Ayatollah Khameini und Nachfolger Khomeinis, sich nach der Wahl auf die Seite des Siegers stellte, heißt nicht, dass Ahmadinejad sein Wunschkandidat war. Denn niemandem aus dem Establishment waren die heftigen Attacken Ahmadinejads auf die herrschende Elite geheuer. Vielmehr geht es um die Stabilität des Systems.

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Souveräner Rentenstaat
Hintergrund: Zur politischen Ökonomie des Iran und seiner geostrategischen Bedeutung. Von Werner Ruf

Iran ist ein Rentenstaat. Kurz auf den Punkt gebracht bedeutet dies: 1. Der weit überwiegende Teil des Staatseinkommens stammt aus relativ unproduktiver, auf den Export von Rohstoffen gerichtete Tätigkeit, die zwar Devisen ins Land bringt, aber keinen nennenswerten Mehrwert schafft. Typisch hierfür sind die Förderung und der Export von Öl und Erdgas.

2. Die Kontrolle der Renteneinkünfte und der mangels eigener wirtschaftlicher Entwicklung notwendigen Importe von Lebensmitteln und Konsumgütern stellt für die herrschenden Gruppen (»Staatsklasse«) die zentrale Quelle ihrer Bereicherung dar und sichert durch die Umverteilung eines Teils dieser Einkünfte in klientelistische Netzwerke die Macht der Herrschenden.

3. Da der Staat mittels dieser Einkünfte ein Minimum an sozialer Sicherung bieten kann, besteht kein Interesse am Aufbau einer auf Autarkie gerichteten Landwirtschaft und industriellen Produktion. Die Zementierung der Unterentwicklung ist geradezu die Rationale von Rentenökonomien.

Dieses Modell, das nahezu für die Gesamtheit aller Öl und Gas exportierenden Staaten (aber auch für andere Mono-Exporteure) gilt, hat gravierende Folgen für die sozialen und politischen Strukturen solcher Rentenstaaten: Einerseits ist der Fortbestand dieses Systems die gemeinsame Basis der herrschenden Kräfte, andererseits aber bestehen zwischen ihnen scharfe Rivalitäten, da permanent um die Kontrolle der Pfründe und deren Erweiterung gekämpft werden muß. (1) Diese Kämpfe sind meist unbedeutend in Zeiten, in denen der Rentenzufluß relativ groß ist; sie können heftigste Formen bis hin zum Bürgerkrieg annehmen (Beispiel Algerien), wenn die Rente sich verringert. Charakteristisch ist für diese Rentenstaaten, daß die Strukturen der realen Macht nur schwer durchschaubar sind, da sie nach außen oft durch ein formal dem Westen nachgebildetes System von Ministerien, Parlamenten etc. repräsentiert sind. Auch die Abhaltung von (in der Regel im Vorfeld streng kontrollierten) Wahlen gehört oft zu Außendarstellung dieser Systeme.

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»Ohne Souveränität keine Demokratie«
Die Protestbewegung im Iran macht nicht den Eindruck einer die nationale Unabhängigkeit verteidigenden Kraft. Ein Gespräch mit Willi Langthaler, Sprecher der Antiimperialistischen Koordination (AIK) in Wien

Wie lassen sich die gegenwärtigen Ereignisse im Iran aus antiimperialistischer Sicht beurteilen?

Diese Protestbewegung wird zum großen Teil von den gebildeten Mittelschichten und auch Besitzenden getragen, die nach mehr demokratischen Rechten und kulturellen Freiheiten streben. Für sie ist das gleichbedeutend mit Verwestlichung. Das fällt zusammen mit den indirekten und direkten Versuchen des Westens, Einfluß auf die Verhältnisse im Iran zu nehmen, das heißt der Opposition zum Sieg zu verhelfen. Auf der anderen Seite haben wir die große Masse der städtischen und ländlichen Unterschichten, die ebenfalls enttäuscht sind vom System der Islamischen Republik, wie es sich in den letzten zwanzig Jahren weiterentwickelt hat. Dieses breite Spektrum reagiert positiv auf die von Mahmud Ahmadinedschad vorgetragenen Angriffe auf den verbürgerlichten Klerus. Die Ausstrahlungskraft des wiedergewählten Präsidenten ergibt sich aus der Kombination von sozialen Versprechungen, radikalem Islamismus und Antiimperialismus. Und daß dies gegen die Mullah-Elite gerichtet ist.

Nach Ansicht von vielen Linken ist eine breite Demokratiebewegung gegen ein diktatorisches Regime angetreten. Wie sehen Sie das?

Die von der Opposition vorgetragenen Forderungen nach Demokratie und Ausweitung der politischen Freiheiten sind als solche natürlich unterstützenswert. Die Grundvoraussetzung für eine demokratische Entwicklung aber ist die nationale Souveränität. Ein von den imperialistischen Mächten in Abhängigkeit gehaltener Iran kann nicht demokratisch sein. Die gegenwärtige Protestbewegung jedoch macht nicht den Eindruck einer die nationale Unabhängigkeit verteidigenden Kraft. Sie steht vielmehr unter dem Bann der westlichen Hegemonie. Im Konflikt zwischen der iranischen Führung um Ahmadinedschad und imperialistischer Hegemonialpolitik muß die antiimperialistische Linke klar Stellung beziehen. Gerät der Iran unter die Vorherrschaft der USA, ist der Kampf um Demokratie verloren.

Kann man von einer Erhebung gegen das islamische Regime sprechen. Oder handelt es sich nicht vielmehr um einen Konflikt innerhalb des islamischen Regimes?

Beides. Im Regime gibt es heftige Fraktionskämpfe. Eine Linie wird von Ali Akbar Haschemi Rafsandschani personifiziert. Er verkörpert das System von seinen revolutionären Anfängen bis zu seiner kapitalistisch-oligarchischen Gegenwart. Er repräsentiert aber auch die Krise des Systems, in dem sich die Elite der Mullahs und deren Familien die Wirtschaft des Landes angeeignet und eine eigenartige Form von Kapitalismus kreiert haben. Der Unmut dagegen ist von Ahmadinedschad auf eine eher populistische Weise, als Kampfansage an die Korruption, aufgegriffen worden. Es waren nicht bloß leere Versprechen, die der Präsident gemacht hat. Vieles hat er auch eingelöst. Das waren vor allem Transferleistungen an die Armen und die Einführung eines Mindestlohns. Dabei ist Ahmadinedschad mit jener Fraktion des Klerus verbündet, die am Antiimperialismus festhält und aus diesem auch ihre Legitimation bezieht.

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Asoziale Revolution
von Werner Pirker

Natürlich sind in Bewegung geratene Menschenmassen beeindruckend. Wenn sie zur »kritischen Masse« werden, eherne Gesetze außer Kraft setzen, die Verhältnisse umstürzen – oder auch kämpfend untergehen. Und natürlich werden in Bewegung geratene Menschenmassen von den um ihre Vormachtstellung und Privilegien Fürchtenden verabscheut. Die Revolution sei eine anormale Erscheinung, eine in den Untergang führende Massenhysterie, lautet die alte konterrevolutionäre Leier. Massenaufläufe betrachtet das auf seine Souveränität bedachte bürgerliche Individuum nicht nur als ästhetischen Skandal, sondern auch als Großangriff auf die persönliche Freiheit und Vorboten einer totalitären Gesellschaft.

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Revolutionäre Krise
Zuspitzung der Kämpfe im Iran

von Werner Pirker

Die Auseinandersetzungen im Iran nehmen einen immer antagonistischeren Charakter an. Große Teile der Bevölkerung wollen die in der Islamischen Republik herrschenden Verhältnisse nicht mehr hinnehmen. Somit ist eine revolutionäre Krise entstanden. Die Frage, ob der Massenaufruhr den Machtkampf innerhalb der Eliten auslöste oder umgekehrt, ist nicht eindeutig zu beantworten. Es handelt sich eher um zwei einander gegenseitig durchdringende Erscheinungen.

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