[ DIE LINKE ]
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Der Schwarze Kanal: Rassisten
von Werner Pirker

Irgendwie paßt der Linksjugend-Bundesarbeitskreis »Shalom«, der sich unlängst als prozionistische Pressuregroup formiert hat, zum Gesamtbild, das »Die Linke« seit einiger Zeit abgibt. Seit Gregor Gysi die Solidarität mit Israel, wie von der Bundeskanzlerin dekretiert, als Teil der deutschen Staatsräson und diese wiederum als Orientierungspunkt für linke Politik proklamiert hat. Daraus ergibt sich nur zu logisch Gysis Annahme, daß der Antiimperialismus im linken Diskurs nicht mehr sinnvoll zu plazieren sei. In einem von Angela Merkel vorgegebenen Diskurs wäre das tatsächlich völlig sinnlos.

Gysis junge Garde drängt zur Entscheidungsschlacht. »Die fundamentalen Differenzen werden immer deutlicher«, beschreibt Shalom-Gründungsmitglied Sebastian Voigt am Dienstag in einem Gastkommentar für den Berliner Tagesspiegel die Situation der Linkspartei vor dem bevorstehenden Parteitag. »Die Diskussion über das Verhältnis zu Israel ist ein Kristallisationspunkt dieser Auseinandersetzungen. Sie ist mehr als die Diskussion um ein Land. (...) Es geht darum, ob die Linke am veralteten Weltbild des Antiimperialismus festhält oder ob eine fortschrittliche Gesellschaftsanalyse auf der Höhe der Zeit formuliert wird.«

Mit der Hinwendung zu Israel wollen die Jungs und Mädels vom Shalom-Arbeitskreis ihre Abwendung vom Kollektivismus vollziehen. »Eine emanzipatorische Sicht«, lehrt uns der kluge Sebastian, »muß vom Individuum ausgehen, dessen volle Entfaltung sie beabsichtigt«. Dem steht – aus emanzipatorischer Sicht – die Prolo-Linie entgegen: »Historisch haben sich die Linken jedoch oft einem kollektiven revolutionären Subjekt verschrieben, sei es der Arbeiterklasse oder den Völkern in der sogenannten dritten Welt«. Die Absage an den Antiimperialismus ergibt sich aus der Solidarität mit dem zionistischen Staat – und umgekehrt die Solidarität mit Israel aus einer direkt bezogenen Gegenposition zum Antiimperialismus. Daß Klassen- und nationale Befreiungskämpfe aus »emanzipatorischer Sicht« inzwischen als die individuellen Freiheiten bedrohende Urgewalten des Kollektivismus wahrgenommen werden, beweist, wie tief der neoliberale Rassismus in die Linke eingedrungen ist. In einem solchen linken Diskurs erscheint Israel als die exponierteste Bastion der auf individueller Entfaltung beruhenden westlichen Zivilisation, die sich von einem kollektiven Subjekt, gemeinhin asiatische Horden genannt, tödlich bedroht sieht.

Als Gregor Gysi das Lied der Solidarität mit Israel anstimmte, hat er den linken Solidaritätsgedanken in sein Gegenteil verkehrt. Damit liegt er ohnedies voll im Trend. Die internationale Solidarität wird von der Mainstream-Linken längst nicht mehr antiimperialistisch definiert. Als solidarisch gilt vielmehr, sich als Antreiber imperialistischer »Menschenrechts«-Interventionen in Szene zu setzen. Nur im nahöstlichen Konflikt sind nicht die Menschenrechte, sondern allein das Existenzrecht Israels diskursbestimmend. Bei der Erstellung doppelter Standards erweisen sich die linken Nachwuchskader bereits als ausgefuchste Profis. Demokratie und Menschenrechte sind Palästinensern nur dann zu gewähren, wenn sie die von den Besatzern gewünschte Wahl treffen. Jede andere Option hat als antisemitisch zurückgewiesen zu werden. Auch hinsichtlich Machtbewußtsein ist der Gysi-Nachwuchs schon dem Kindergarten entwachsen. Sie wissen um die administrative Funktionsweise der Political Correctness. Mit den Argumenten des außenpolitischen Sprechers der Linksfraktion, Norman Paech, der einen erschütternden Bericht über die verzweifelte Lage der Menschen in Gaza vorgelegt hatte, setzt sich ein Sebastian Voigt erst gar nicht auseinander. Das würde ihn nun doch ein wenig überfordern. Da droht er lieber gleich mit dem Parteiausschluß. Paechs Forderung nach Gesprächen mit der gewählten Führung des palästinensischen Volkes wird von deutschen Jungzionisten als Unterstützung des Terrorismus angeprangert.

In Wien mußte am vergangenen Wochenende eine Informationsveranstaltung der Initiative »Gaza muß leben« in ein Hotel ausweichen, weil sich ein anderer Veranstaltungsort nicht finden ließ. Die Organisatoren der Wiener Gaza-Blockade, die ein ganzes Volk unter Terrorismusverdacht stellen, meinen dem »Nie wieder« verpflichtet zu sein. Der Weg in eine neue Diktatur ist mit den besten antifaschistischen Vorsätzen gepflastert.

aus: junge Welt, 24.05.2008

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